Sichtbarkeit

Zu den verbreiteten Mythen über das wissenschaftliche Publizieren im Open Access gehört, dass der grenzenlose, kostenfreie Zugriff auf die digitalen Ressourcen vornehmlich den Leserinnen und Lesern nutze. Dabei ist der Vorteil für die Autorinnen und Autoren vielfach beschrieben und nachgewiesen: Die hohe Sichtbarkeit offen nutzbarer wissenschaftlicher Informationen zieht in der Regel einen größeren Impact der Veröffentlichungen nach sich. Die Publikationen und die darin vorgestellten Befunde werden mithin oft besser wahrgenommen und nachhaltiger rezipiert – in der eigenen Fachcommunity und teilweise auch darüber hinaus.

Open-Access-Veröffentlichungen tragen zur Steigerung des wissenschaftlichen Ansehens der Autorinnen und Autoren und ihrer Institutionen bei.

1. Technische und rechtliche Aspekte
2. Sichtbarkeit durch Qualität

Quelle: Johannes Plenio auf Pixabay
1. Technische und rechtliche Aspekte

Wichtiger Faktor für die Sichtbarkeit wissenschaftlicher OA-Publikationen ist, nicht anders als bei der Frage der Nachhaltigkeit digitaler Ressourcen im Allgemeinen, die Beachtung von Metadaten und Formatstandards. Denn nur die Orientierung an den international gültigen Schemata (MODS, Dublin Core, DataCite, MARC21 u. a.) sowie die Auszeichnung der Webinhalte mit Metatags (z. B. schema.org oder Highwire Press tags) gewährleisten die langfristige optimale Auffindbarkeit durch Indexing-Services, bibliothekarische Katalogsysteme sowie wissenschaftliche Suchmaschinen (z. B. Google Scholar, PubMed Central, BASE, Microsoft Academic, OpenAire, DOAB, DOAJ, KVK).

Darüber hinaus spielt die prinzipielle Offenheit, in der digitale OA-Publikationen durch den Gebrauch freier(er) Nutzungslizenzen im Netz bereitgestellt werden, eine große Rolle für deren Sichtbarkeit:

1. Sie befördert das Teilen von Dokumenten über die rein privaten Kanäle hinaus: über Websites, Fachportale, soziale Netzwerke oder die sogenannten Scholarly collaboration networks, die in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil wissenschaftlicher Fachkommunikation avancierten.
2. Die fast schrankenlose Abrufbarkeit sowie die in der Regel damit einhergehende Möglichkeit zur Volltextrecherche kommt den Logiken moderner Suchmaschinen entgegen.
3. Die gängige Bereitstellung der zugehörigen Beschreibungsdaten über offen zugängliche, standardisierte Schnittstellen wie das webbasierte Protocol for Metadata Harvesting der Open Archives Initiative (OAI-PMH) unterstützt deren systematisches Sammeln und Weiterverarbeiten. Aber auch freie Suchanfragen lassen sich über diesen Weg realisieren, z. B. über das Search/Retrieve via URL-Protokoll (SRU) der Library of Congress.
Quelle: Gerd Altmann auf Pixabay
2. Sichtbarkeit durch Qualität

Der Mythos von der geringeren Wahrnehmung von Open-Access-Publikationen berührt nicht nur das Thema des vieldiskutierten Impact Factors wissenschaftlicher Zeitschriften, sondern auch die Frage, welchen inhaltlich-fachlichen (Mehr-)Wert die Community Veröffentlichungen zuschreibt, die frei verfügbar im Netz angeboten werden. Es geht also auch um die Anerkennung konkreter Forschungsleistungen und die Belastbarkeit der Befunde und nicht allein um globale Aussagen zur Häufigkeit der Zitation eines wissenschaftlichen Publikationsorgans in anderen.

Lange Jahre hat insbesondere den goldenen Open-Access-Zeitschriften der latente Makel eines geringeren Renommees angehangen. Häufig hatte dies mit ihrem oft wesentlich jüngerem Lebensalter gegenüber den etablierten Fachorganen zu tun. Mittlerweile hat sich dies indes sehr geändert: Einerseits, weil viele OA-Zeitschriften in der Zwischenzeit selbst auf eine recht beachtliche Tradition verweisen können. Andererseits, weil sich längst auch alteingesessene Zeitschriften in ihren Geschäftsmodellen in Richtung Open Access umorientieren. Hinzu kommt, dass gängige qualitätssichernde Praktiken der wissenschaftlichen Community, insbesondere das der eigentlichen Veröffentlichung vorgelagerte Peer Review, freilich gleichermaßen bei seriösen OA-Publikationen Anwendung finden. Die Veröffentlichungsform an sich sagt somit nichts über den wissenschaftlichen Wert der Inhalte aus. Welche OA-Journals ernstzunehmende Qualitätskontrollen durchführen und welche dies sind, lässt sich zum Beispiel dem Directory of Open Access Journals (DOAJ) entnehmen. Einen anderen, crowdsourcing-basierten Ansatzpunkt zur Prüfung bietet überdies der an der Radboud University Nijmegen beheimatete Quality Open Access Market. Indizien für die wissenschaftliche Qualität bestimmter Publikationen sind darüber hinaus:

  • der Bekanntheitsgrad des Verlags
  • der Bekanntheitsgrad der Autorinnen und Autoren bzw. der Mitglieder im Herausgebergremium
  • der transparente Ausweis von Qualitätskriterien und Prüfinstrumenten
  • die Mitgliedschaft der Verlage in anerkannten einschlägigen Initiativen wie der Open Access Scholarly Publishers Association (OASPA) oder dem Committee on Publication Ethics (COPE).

Was bis hierher zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen in Zeitschriften gesagt wurde, gilt freilich gleichermaßen für andere Publikationsformen. So darf man zum Beispiel auch bei monographischen wissenschaftlichen Arbeiten oder Sammelwerken einen Begutachtungsprozess erwarten – ganz unabhängig von den Zugriffsmöglichkeiten (Closed oder Open Access). Kriterien dazu liegen seit Herbst 2018 von der Arbeitsgemeinschaft der Universitätsverlage vor. Ferner veröffentlichte der Nationale Open-Access-Kontaktpunkt in Zusammenarbeit mit Knowledge Unlatched und dem Verlag transcript Ende 2018 einen Katalog mit wünschenswerten formalen, rechtlichen, wirtschaftlichen und inhaltlichen Qualitätsstandards von OA-Büchern, der zur Orientierung herangezogen werden kann. Beiden Veröffentlichungen ist gemein, dass sie neben den gleichsam klassischen Begutachtungsverfahren für eine prinzipielle Aufgeschlossenheit gegenüber innovativen Formen der Qualitätssicherung plädieren. Dazu gehören zum Beispiel die experimentellen Spielarten des Open Peer Review. Dabei geht es um eine Erhöhung der Transparenz der Verfahren und die Stärkung kollaborativer Prüfprozesse, die durch die digitale Technik sehr viel leichter und effizienter realisierbar sind als in der ‚Gutenberg-Galaxis‚. Und last not least ist angesichts des eingangs erwähnten höheren Impacts von Open-Access-Publikationen nicht zu vergessen: Je mehr eine wissenschaftliche Veröffentlichung rezipiert wird, desto stärker ist sie der kritischen Diskussion der Fachcommunity ausgesetzt.