Open Access ist ein in vielerlei Hinsicht positiv besetzter Begriff, der mit vielen Erwartungen verknüpft wird: von der Freiheit zur (Nach-)Nutzung über den höheren Impact wissenschaftlicher Publikationen und die Schonung der öffentlichen Ressourcen zu deren Finanzierung bis hin zu ihrer grenzenlosen Zugänglichkeit. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass es bei allem Licht auch Schattenseiten gibt: Dazu gehören missbräuchliche Verwendungen des Labels ebenso wie bestimmte Entwicklungen der Bewegung, die vor dem Hintergrund der antikommerziellen und integrativen Ursprungsideen der Open-Access-Initiativen der kritischen Reflexion bedürfen.
1. Predatory Publishing
2. Hybrides Publizieren von Zeitschriftenartikeln
3. Bronzenes Open Access
4. Alte Konfikte – neue Problemfelder
1. Predatory Publishing
Unter der Bezeichnung Predatory Publishing lassen sich Geschäftspraktiken verstehen, die unter dem Vorwand des Open-Access-Gedankens verlegerische Leistungen gegen Veröffentlichungsgebühren anbieten, diese jedoch nicht oder nur unzureichend ausführen. So wird beispielsweise kein Qualitätssicherungsprozess durchgeführt, oder es findet keine redaktionelle Bearbeitung im Vorfeld der Bereitstellung der Werke statt. Vielfach mangelt es den mitunter auch als Raubverlagen bezeichneten Unternehmen zudem an finanzieller Transparenz sowie an Strategien und konkreten Maßnahmen zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit ihrer Veröffentlichungen.
Predatory Publishing lebt vor allem vom Versprechen eines schnellen und reibungslosen Publikationsprozesses. Nicht immer ist dabei auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich um zweifelhafte Angebote handelt. Teilweise werden von den Unternehmen hochkarätig besetzte Editoral Boards angeführt, die jedoch nicht (in vorgegebener Form) existieren, oder es wird mit Angaben zu angeblichen Journal Impact Factors der Verlagsorgane getrickst. Gleiches gilt für die angeführten Referenzpublikationen und die vermeintlich professionellen bzw. seriösen Publikationsumgebungen, die sich bisweilen bewusst renommierten Verlagen, Fachgesellschaften, Online-Plattformen und Zeitschriften orientieren.
Abgesehen davon, dass die Reputation von Forscherinnen und Forschern, aber auch von Institutionen erheblich unter den unseriösen Veröffentlichungspraktiken leidet, können die fehlenden Begutachtungsprozesse im schlechtesten Fall dazu führen, dass sich potenziell fehlerhafte oder problematische wissenschaftliche Befunde verbreiten – mit eventuell weitreichenden (gesellschaftlichen) Folgen.
Insgesamt sollte man die Wirkung des Predatory Publishing jedoch nicht überschätzen. Denn zu den zentralen Problemen dieser Veröffentlichungspraxis gehört ferner, dass es gerade hinsichtlich der Sichtbarkeit der Raubverlagspublikationen oftmals empfindliche Einschränkungen gibt. Anders als die seriösen Open-Access-Publikationen finden sie in der Regel nämlich keinen Eingang in die gängigen wissenschaftlichen Katalogsysteme und Indizes.
Bleibt die Frage, wie die Integrität von Verlagen und insbesondere von Open-Access-Zeitschriften überprüft werden kann. Bei den Verlagen weist z. B. die Mitgliedschaft in anerkannten einschlägigen Initiativen wie der Open Access Scholarly Publishers Association (OASPA) oder dem Committee on Publication Ethics (COPE) auf Seriosität. Bei den Zeitschriften wiederum bietet das Directory of Open Access Journals (DOAJ), in das ausschließlich qualitätsgesicherte Organe Eingang finden, einen guten Prüfeinstieg. Vergleichbares gilt für die Datenbanken Web of Science, den European Reference Index for the Humanities and the Social Sciences (ERIH PLUS) und Scopus. Anders herum benennt etwa Cabell’s Blacklist gezielt schwarze Schafe, also predatory journals, von denen man sich tunlichst fernhalten sollte.
Ganz grundsätzlich sollten Autorinnen und Autoren kritisch bei der Auswahl ihrer Publikationsorte sein, auf die bibliographischen Angaben, die verantwortlich zeichnenden Personen, die vertraglichen Bedingungen, die Verfahren zur Qualitätssicherung und mögliche Diskussionen in ihrer Fachcommunity achten bzw. diese gezielt suchen. Konkrete Hilfestellungen für den Prüfprozess bietet auch die Initiative Think!Check!Submit!, deren Empfehlungen inzwischen in zahlreichen Sprachen vorliegen. Ebenso können Tools wie Journal Selector, Journal Guide oder Quality Open Access Market (QOAM) die Recherche nach geeigneten Publikationsorganen sinnvoll unterstützen. |
2. Hybrides Publizieren von Zeitschriftenartikeln
Zu den vieldiskutierten Geschäftsmodellen des Open-Access-Publizierens gehört das sogenannte hybride Veröffentlichen. Gemeint ist die kostenpflichtige Freistellung bestimmter Artikel aus einer originären Closed-Access-Zeitschrift. Für die anbietenden Verlage wird dies zu einer zweiten Einnahmenquelle neben den regulären Abonnementgebühren. Damit verbunden ist aus Sicht von wissenschaftlichen Bibliotheken, Forschungsinstitutionen und -förderern die Gefahr des double dippings, also des zweifachen Zugriffs auf öffentliche Gelder. Zwar gibt es Bestrebungen, z. B. durch anteilige Senkung der Abonnementgebühren um die Einnahmen aus dem Open-Access-Geschäft für eine Kompensation der Kosten zu sorgen. Dem steht allerdings nicht selten eine mangelhafte Finanztransparenz entgegen. Außerdem entspricht die Kombination von Closed und Open Access nicht dem Ziel der generellen Öffnung des wissenschaftlichen Publikationsmarktes. Etwas anders zu bewerten ist der Fall des hybriden Publizierens bei OA-Büchern, da die Verkaufserlöse aus dem Geschäft mit den gedruckten Varianten hier häufig in höherem Maße zur Querfinanzierung der offenen eingesetzt werden. Darin liegt denn auch ein sehr viel stärkeres Impulspotential für die Open-Access-Transformation als bei den Zeitschriften.
3. Bronzenes Open Access
Der Begriff des bronzenen Open Access berührt die Frage, ob Veröffentlichungen nur kostenlos und frei lesbar, oder auch (nach-)nutzbar, das heißt mit einer Open-Content-Lizenz (z. B. Creative Commons) versehen sein müssen, um sie tatsächlich als Open Access charakterisieren zu können. In der Open-Access-Community wird letztere Komponente meist als unverzichtbarer Bestandteil ein und derselben Medaille angesehen, ebenso wie die eindeutige menschen- und maschinenlesbare Angabe der Lizenzbedingungen. Denn auch wenn der Impact bronzener OA-Publikationen den goldenen und grünen auf den ersten Blick nicht nachstehen mag, ist ihre nachhaltige freie Verfügbarkeit ohne entsprechende Lizenz nicht notwendigerweise garantiert. Außerdem ist zu bedenken, dass die bronzene OA-Forschungsliteratur der Anbindung moderner computertechnischer Analysetools verschlossen bleibt.
4. Alte Konflikte – neue Problemfelder
Durch die Umstellung der Publikationswege und Geschäftsmodelle im Rahmen der Open-Access-Transformationen haben sich einerseits bislang kaum Veränderungen hinsichtlich der Dominanz des Publikationsmarktes durch bestimmte Verlagsakteure ergeben. Die Konzentration scheint sich im Gegenteil unbeirrt fortzusetzen. Andererseits entstehen durch den Wandel hin zur Finanzierung der Open-Access-Veröffentlichungen durch die Herausgeberinnen und Herausgeber, die Autorinnen und Autoren bzw. ihre Institutionen neue Problemstellungen:
Erstens haben es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne direkte Anbindung an eine finanzstarke bzw. subventionswillige Forschungseinrichtung schwer, die anfallenden Publikationsgebühren aufzubringen. Das kann Tendenzen zur Verschiebung oder Verschleierung von Autorenschaften befördern und Machtstrukturen innerhalb des Wissenschaftsapparats etablieren.
Zweitens kann die Frage die ohnehin starke finanzielle Drift zwischen den ökonomisch meist schwächer ausgestatteten geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern und den naturwissenschaftlichen, technischen und medizinischen Disziplinen weiter befördern.
Drittens bleiben die Entwicklungsländer, die von Beginn an im Fokus der Open-Access-Bewegung standen, weiter von der produktiven Teilhabe am Publikationsgeschehen ausgeschlossen oder zumindest von äußerer Unterstützung abhängig.
Zu den neuen Konfliktfeldern des Open-Access-Publizierens gehört abseits aller Finanzfragen aber auch der dafür notwendige Zeitaufwand der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wer digital, frei zugänglich und (nach-)nutzbar veröffentlichen möchte, muss sich sowohl mit den technischen als auch rechtlichen Anforderungen vertraut machen. Hieraus entstehen vielfältige spezifische Beratungsbedarfe, auf die sich nicht nur die Verlage, sondern auch die wissenschaftlichen Institutionen mit entsprechenden Ressourcen einstellen müssen.